Sonntag, 17. April 2016

Ein Porträt von Albert Koolen im Publik Forum


 

  • M1: Publik Forum 1999, Nr. 14, S. 38f.
  • Ein tamilischer Prophet in der Fremde
  • Der Krieg in Sri Lanka und die Christen
  • Porträt des Priesters Joseph Emmanuel Seemampillai
  • von ALBERT KOOLEN

Father Seeimampillai, mit Vornamen Jo­seph Emmanuel, »S. J.«, wie ihn seine Freunde nennen, »einer der fähigsten Köpfe, den die katholische Kirche Sri Lankas je hervorgebracht hat«, so Bischof Ambalavanar, lebt im erzwungenen Exil in Deutsch­land. Als Angehöriger der tamilischen Min­derheit im Bürgerkriegsland Sri Lanka hat sich der in ganz Asien geachtete katholische Theologe seit vielen Jahren dem Leiden sei­nes unterdrückten Volkes gewidmet. Seemampillais Arbeit ist die logische Folgerung seiner Grundüberzeugung, dass kontextuelle Theologie »die Überschriften der Tageszeitungen mit der Überschrift des Evangeliums zu konfrontieren hat«.

Und die Überschriften in Sri Lanka sprechen vom Bürgerkrieg zwischen den mehr­heitlich buddhistischen Singhalesen und der Minderheit der zumeist hinduistischen Ta­milen. Es ist ein langjähriger Krieg mit annä­hernd 100 000 Toten; ein Konflikt, der in der westlichen Welt fast nicht beachtet wird.

Geboren wurde Seemampillai am 11. April 1934 in Jaffria. »Seit 1956«, so sagt Pater Seemampillai, sei er aufmerksamer Beobachter der politischen Situation seines Heimatlan­des. Nach Abschluss von Studium und Prie­sterweihe arbeitet er zunächst als Pfarrer Später in Kandy, dem ältesten Priestersemi­nar Asiens, leitet er als Dekan die theologi­sche Fakultät. Ab 1976 ist Seemampillai mit­verantwortlich für die theologische Ausbil­dung der Priester, und zwar für Angehörige beider Volksgruppen, Singhalesen, und Ta­milen. Dies ist ihm heute wichtig, besonders wenn ihm Einseitigkeit zugunsten der Tami­len vorgeworfen wird.

Ende der 70er Jahre eskaliert die politische Situation in Sri Lanka zum bewaffneten Konflikt. Der gewaltfreie Einsatz der Tamilen für Gleichberechtigung wird blutig unter­drückt. In der Hafenstadt Jaffna im Norden Sri Lankas, einer Tamilenhochburg, bildet sich Widerstand, unter anderem die Guerilla der »Befreiungstiger«, die Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE).

S. J. sieht sich als Tamile, Priester und Uni­versitätslehrer mit den Ereignissen konfron­tiert. Geprägt von der Theologie der Befrei­ung, tritt er gegen die Unterdrückung seines Volkes und für Gerechtigkeit und Frieden in Sri Lanka ein. 1987, schon mitten im Krieg, gründet er das Zentrum für eine bessere Ge­sellschaft. Dort arbeitet er mit tamilischen und singhalesischen Theologen zusammen. Eng befreundet ist er bis heute mit Tissa Ba­lasurya dem von Rom 1997 exkommunizier­ten, später rehabilitierten singhalesischen Theologen, aus der Hauptstadt Colombo.

Emmanuel Seemampillai sieht die Kirche Asiens in den jeweiligen Ländern als Minderheit. »Jeder Christ Asiens«, sagt er in einem Interview, »besitzt eine doppelte Identität: die ethnisch-kulturelle und die religiös­ spirituelle.« Er selbst sei als Tamile geboren, in einem durch Buddhismus und Hinduis­mus geprägten Land, und zum Christ gewor­den - seit den Missionaren. Der Vorwurf, dass die Kirche, historisch betrachtet, deshalb et­was von außen sei, lasse sie in Sri Lanka ver­stummen. Sie schweige zur Eskalation der Gewalt, die sich seit über 40 Jahren wie ein dunkler Schatten über das Land gelegt habe. Doch Schweigen aus Angst verrate den bibli­schen Anspruch. Die Kirche sei gleichzeitig in der singhalesischen und in der tamilischen Gesellschaft verankert. Doch sie habe die dar­aus resultierende Chance, Friedensstifterin zu sein, verspielt. Sie dulde heute eine zuneh­mende Spaltung des Landes.

Immer wieder hat Pater Emmanuel ver­sucht, mit seinen Schriften einen Ausweg aus dem Krieg zu zeigen: In »Church, Politics and War« (1994) analysiert er »den Aufbau und die Explosion der ethnischen Bombe« in Sri Lanka. Die Kirche habe sich in eine neu­trale Position drängen lassen und sei daher an keinem Punkt der verhängnisvollen Ge­schichte des Landes für die Wahrheit einge­treten. Als Generalvikar der Diözese Jaffria seit 1991 wurde Seemampillai Zeuge eines weiteren Kriegsdramas in Sri Lanka: Nach der Schlacht um die Stadt Jaffria im Herbst 1995 flüchtete er mit fast 500 000 Menschen aus dem Kriegsgebiet. Seine Erfahrungen hat er in dem Buch »Let My People Go« (1997) niedergeschrieben.

Seit einigen Jahren sucht Emmanuel den Kontakt mit Südafrika. Dort sieht er ein Bei­spiel für die Möglichkeit der Aussöhnung zwischen den Volksgruppen Sri Lankas. Über ihn schreibt Erzbischof Desmond Tutu: »Ich hatte die Ehre, Dr. S. J. Emmanuel zu treffen. Er war gekommen, um meine Unter­stützung für das Bemühen um Frieden und Gerechtigkeit in Sri Lanka, zu erbitten. Ich bin bedrückt über die Zahl der Toten infolge von Krieg und Gewalt. Ich bin beeindruckt vom Mut und der Geduld Emmanuels, Brüc­ken zu bauen und eine Kultur der Toleranz und der Menschenrechte innerhalb der Be­völkerung Sri Lankas zu fördern.«

1996 erhält S. J. Emmanuel Hinweise, besser nicht in sein Heimatland zurückzukehren. Denn das bedeute Todesgefahr. Seither lebt er als Pfarrer im Bistum Münster. Außerdem hält er Gastvorlesungen an verschiedenen Uni­versitäten. Weltweit tritt er auf zahllosen Ver­anstaltungen gegen die Unterdrückung sei­nes Volkes ein, dem er sich in Deutschland noch enger verbunden fühlt. Es bedrückt ihn, dass über 19 000 tamilische Flüchtlinge zur Zeit gegen ihre drohende Abschiebung zu kämpfen haben.

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