- M1: Publik Forum 1999, Nr. 14, S. 38f.
- Ein tamilischer Prophet in der Fremde
- Der Krieg in Sri Lanka und die Christen
- Porträt des Priesters Joseph Emmanuel Seemampillai
- von ALBERT KOOLEN
Father Seeimampillai, mit Vornamen Joseph Emmanuel,
»S. J.«, wie ihn seine Freunde nennen, »einer der fähigsten Köpfe, den die
katholische Kirche Sri Lankas je hervorgebracht hat«, so Bischof Ambalavanar,
lebt im erzwungenen Exil in Deutschland. Als Angehöriger der tamilischen
Minderheit im Bürgerkriegsland Sri Lanka hat sich der in ganz Asien geachtete
katholische Theologe seit vielen Jahren dem Leiden seines unterdrückten Volkes
gewidmet. Seemampillais Arbeit ist die logische Folgerung seiner
Grundüberzeugung, dass kontextuelle Theologie »die Überschriften der
Tageszeitungen mit der Überschrift des Evangeliums zu konfrontieren hat«.
Und die Überschriften in Sri Lanka sprechen vom
Bürgerkrieg zwischen den mehrheitlich buddhistischen Singhalesen und der
Minderheit der zumeist hinduistischen Tamilen. Es ist ein langjähriger Krieg
mit annähernd 100 000 Toten; ein Konflikt, der in der westlichen Welt fast
nicht beachtet wird.
Geboren wurde Seemampillai am 11. April 1934 in
Jaffria. »Seit 1956«, so sagt Pater Seemampillai, sei er aufmerksamer
Beobachter der politischen Situation seines Heimatlandes. Nach Abschluss von Studium
und Priesterweihe arbeitet er zunächst als Pfarrer Später in Kandy, dem
ältesten Priesterseminar Asiens, leitet er als Dekan die theologische
Fakultät. Ab 1976 ist Seemampillai mitverantwortlich für die theologische
Ausbildung der Priester, und zwar für Angehörige beider Volksgruppen,
Singhalesen, und Tamilen. Dies ist ihm heute wichtig, besonders wenn ihm
Einseitigkeit zugunsten der Tamilen vorgeworfen wird.
Ende der 70er Jahre eskaliert die politische
Situation in Sri Lanka zum bewaffneten Konflikt. Der gewaltfreie Einsatz der
Tamilen für Gleichberechtigung wird blutig unterdrückt. In der Hafenstadt
Jaffna im Norden Sri Lankas, einer Tamilenhochburg, bildet sich Widerstand,
unter anderem die Guerilla der »Befreiungstiger«, die Liberation Tigers of
Tamil Eelam (LTTE).
S. J. sieht sich als Tamile, Priester und
Universitätslehrer mit den Ereignissen konfrontiert. Geprägt von der
Theologie der Befreiung, tritt er gegen die Unterdrückung seines Volkes und
für Gerechtigkeit und Frieden in Sri Lanka ein. 1987, schon mitten im Krieg,
gründet er das Zentrum für eine bessere Gesellschaft. Dort arbeitet er mit
tamilischen und singhalesischen Theologen zusammen. Eng befreundet ist er bis
heute mit Tissa Balasurya dem von Rom 1997 exkommunizierten, später
rehabilitierten singhalesischen Theologen, aus der Hauptstadt Colombo.
Emmanuel Seemampillai sieht die Kirche Asiens in den
jeweiligen Ländern als Minderheit. »Jeder Christ Asiens«, sagt er in einem
Interview, »besitzt eine doppelte Identität: die ethnisch-kulturelle und die
religiös spirituelle.« Er selbst sei als Tamile geboren, in einem durch
Buddhismus und Hinduismus geprägten Land, und zum Christ geworden - seit den
Missionaren. Der Vorwurf, dass die Kirche, historisch betrachtet, deshalb etwas
von außen sei, lasse sie in Sri Lanka verstummen. Sie schweige zur Eskalation
der Gewalt, die sich seit über 40 Jahren wie ein dunkler Schatten über das Land
gelegt habe. Doch Schweigen aus Angst verrate den biblischen Anspruch. Die
Kirche sei gleichzeitig in der singhalesischen und in der tamilischen
Gesellschaft verankert. Doch sie habe die daraus resultierende Chance,
Friedensstifterin zu sein, verspielt. Sie dulde heute eine zunehmende Spaltung
des Landes.
Immer wieder hat Pater Emmanuel versucht, mit
seinen Schriften einen Ausweg aus dem Krieg zu zeigen: In »Church, Politics and
War« (1994) analysiert er »den Aufbau und die Explosion der ethnischen Bombe«
in Sri Lanka. Die Kirche habe sich in eine neutrale Position drängen lassen
und sei daher an keinem Punkt der verhängnisvollen Geschichte des Landes für
die Wahrheit eingetreten. Als Generalvikar der Diözese Jaffria seit 1991 wurde
Seemampillai Zeuge eines weiteren Kriegsdramas in Sri Lanka: Nach der Schlacht
um die Stadt Jaffria im Herbst 1995 flüchtete er mit fast 500 000 Menschen aus
dem Kriegsgebiet. Seine Erfahrungen hat er in dem Buch »Let My People Go«
(1997) niedergeschrieben.
Seit einigen Jahren sucht Emmanuel den Kontakt mit
Südafrika. Dort sieht er ein Beispiel für die Möglichkeit der Aussöhnung
zwischen den Volksgruppen Sri Lankas. Über ihn schreibt Erzbischof Desmond
Tutu: »Ich hatte die Ehre, Dr. S. J. Emmanuel zu treffen. Er war gekommen, um
meine Unterstützung für das Bemühen um Frieden und Gerechtigkeit in Sri Lanka,
zu erbitten. Ich bin bedrückt über die Zahl der Toten infolge von Krieg und
Gewalt. Ich bin beeindruckt vom Mut und der Geduld Emmanuels, Brücken zu bauen
und eine Kultur der Toleranz und der Menschenrechte innerhalb der Bevölkerung
Sri Lankas zu fördern.«
1996 erhält S. J. Emmanuel Hinweise, besser nicht in
sein Heimatland zurückzukehren. Denn das bedeute Todesgefahr. Seither lebt er
als Pfarrer im Bistum Münster. Außerdem hält er Gastvorlesungen an
verschiedenen Universitäten. Weltweit tritt er auf zahllosen Veranstaltungen
gegen die Unterdrückung seines Volkes ein, dem er sich in Deutschland noch
enger verbunden fühlt. Es bedrückt ihn, dass über 19 000 tamilische Flüchtlinge
zur Zeit gegen ihre drohende Abschiebung zu kämpfen haben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen