Freitag, 6. Dezember 2019

50 Jahren nach dem Katacombenpakt in Rom - Ein Hinblick von einerasiatische Theologe

Am 16 Nov. haben mehr als 300 Deutsche und Südamerikanische Katholiken sind in Rom gewesen um den Katekombenpakt, untergeschrieben von 40 Bischöfe des 2e Vatikanisches Konzils, zu erinnern. Damals war ich als ein Student in Rom gewesen. Die Institut für Theologie und Politik in Muenster haben mich eingeladen als eine asiatische Theologe um meine Kommentare zu hören.


Eine asiatische Perspektive
Zur Erinnerung und Erneuerung des Katakomben Pakts,
das  „geheime“ Vermächtnis des II. Vatikanischen Konzils
vom 16. November 1965,

S.J.Emmanuel

Mein Vortrag dient der Erinnerung und Erneuerung des Katakomben Pakts für eine neue Kirche in der zukünftige Welt, eine Kirche der Armen und eine dienende Kirche. Ich habe mich sehr gefreut, als einziger asiatischer Gast an diesem Erinnerungstreffen des Katakomben Pakts in Rom teilzunehmen. Obwohl ich damals, während des Konzils, ein Student der Theologie am Kollegium Urbano de Propaganda Fide in Rom war, wusste ich nichts von diesem Katakomben Pakt. Also habe ich mich bei dieser Einladung sofort gefragt:

1.     Warum ein geheimer Pakt als Katakomben Pakt?

Als einer, der schon den Kontext des Konzils kannte, kann ich wagen, das zu verstehen und es in zwei Gedanken vorzustellen

1.1  Die 40 Bischöfe aus ärmeren Ländern, wie aus Lateinamerika, spürten die Bedeutung  der Armen in der Kirche.

Das Konzil, berufen vom geistbewegten Papst Johannes XXIII., wird geöffnet – als Aggiornamento (update) der Kirche. Der Papst hat die Kirche zusammengerufen zu einer Rückkehr zur Quelle: Redeuntes ad fontem, wie er betont hat. ,,Lasst uns an die Quelle zurückkehren und uns erneuern." Dazu gehört auch der Ruf, „Kirche der Armen“ zu werden.

1.2  Die jüngeren Bischöfe außerhalb Europas  konnten nicht eigene neue Dokumente einbringen

Die europäischen Kirchen haben  nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs versucht, sich durch 4 Bewegungen zu erneuern: durch liturgische-, ökumenische-,  biblische - und das Laienapostolat. Diese Bewegungen hatten ihre Einfluss im Konzil. Also, die guten theologischen Beiträge der ,,europäischen“ Theologen, Yves Congar, Edward Schillebeeckx, Karl Rahner und anderen, waren von tiefer Bedeutung.(Ein amerikanischer Autor von damals beschreibt den großen Einfluss der Theologen aus Holland, Frankreich, Deutschland über die Italiener in seinem Buch mit dem Titel: Rhine flows into theTiber! (Der Rhein fließt in den Tiber!)

Zusätzlich zu der Atmosphäre in der Konzilsaula, die schon ein bisschen wie      ,, wir sind/werden eine Weltkirche“ war, gab es  viele Begegnungen zwischen den einheimischen Bischöfen und den Bischöfen aus den anderen Kontinenten und die führten zu vergleichenden pastoralen Problemen. Jeden Tag verbrachten  sie vier Stunden in den Aula des Konzils, mit nur einer Pause.

So  entstanden einerseits motuproprio einige Konzilsdokumente als  Erfahrungsdokumente der  europäischen Bischöfe, aber stark diskutiert und geändert in der  Aula des Konzils  (wie die dogmatische Konstitution über die Kirche ,,Lumengentium) und die anderen, geboren innerhalb der  Konzilsaula,    ( wie die pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute                 ,, Gaudium et spes", die Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen ,,Nostra aetatae", das Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche ,, Ad gentes" oder das Dekret über den Ökumenismus ,,Unitasredintegratio" und andere. Insgesamt  allgemein begeisterten waren auch die jüngere asiatischen und afrikanischen Bischöfe. Sie wollten mehr und Konkretes hören und wissen über ,,die Kirche für Armen“ und ,,die Kirche der Armen“.

Also, um diese großen herausfordernden Fragen wie Aggiornamento und  Kirche der Armen zu realisieren, wäre es notwendig gewesen, dass die jüngeren Bischöfe außerhalb Europas, eigene neue Dokumente hätten einbringen können. Sie hatten aber keine Möglichkeit, neue Dokumente einzubringen oder sie sogar  zu verlangen. Also kam es zum  Katakomben Pakt, einem geheimen Pakt, (genannt nach dem Ort, wo die römische Kirche geboren ist),sozusagen als einem neuen Hoffnungsträger für eine neue Weltkirche.

2.    Die  50 Jahre nach dem  Konzil

Kard. Karl  Lehmann sagte  einmal:,, Das Konzil war für mich persönlich wichtig ... .Ich identifiziere mich mit meiner ganzen priesterlichen Existenz und in der Ausrichtung meines Dienstes damit. Ich könnte mich gar nicht denken ohne das Konzil.“Was Kard. Lehmann gesagt hat, das gilt auch für mich im Kontext meines priesterliches Lebens. Als Pastor, Professor für Theologie und Generalvikar habe ich versucht, der Lehre des Konzils zu folgen.

 2.1 Für die europäischen Kirchen – Erneuerung und Krise?

Das Konzil als neues  Pfingsten hat uns zum Aggiornamento (update/Aktualisierung) geweckt und neue Wege vorgeschlagen für alle. Doch leider haben wir alle nicht den prophetischen Mut gehabt, um die neuen Wege in unseren verschiedenen Kontexten zu wagen. Die Mutterkirchen Europas fanden es sehr schwer, aus den vielhundert Jahren alten Traditionen herauszukommen. Andererseits hatten die jüngeren Missionkirchen in Asien/ Afrika nicht die Freiheit und Erlaubnis von Rom, um die neuen Wege zu wagen.

So ist es im Laufe der Zeit zu einer Krise der Kirche gekommen Die moderne Krise der Kirche hat verschiedene, unterschiedliche Gründe in Europa und in den anderen Kontinenten. Ich kann nur als ein asiatischer Theologe, basierend auf meine begrenzte Erfahrung in der deutschen Kirche, einige Kommentare am Ende dieses Vortrags bieten.

2.2           Für die asiatischen Kirchen- von Passivität zu Aktivitäten in neuem post-kolonialem Kontext und Herausforderungen

Alle europäischen Kirchen, nach der Reformation im 15 Jahrhundert, haben sich verstärkt als gegenreformatorische “Burgkirchen“ gesehen, die die Tradition verteidigten. Die Missionskirchen in Asien waren nur transverpflanzte gegen-reformatorische Kirchen. Als Töchterkirchen von Europa, waren sie gesteuert und ernährt von der Mutterkirche in Rom  nach  europäischem Stil. In einem multikulti Kontext Asiens wurden  die Kirchen als minderheitliche europäische Religion gesehen. Sie waren mehr anerkannt als gute effektive Institutionen für humanitäre  Hilfe. Zum Beispiel wurde  Mutter Theresa  von der indischen Regierung anerkannt für ihre humanistischen Leistungen.

Also weckte die Einladung von Papst Johannes XXIII. zum Konzil  neue Hoffnung in den jüngeren Kirchen. Aber es gab   keine vorkonziliare  Bewegungen  wie in Europa durch  die liturgische-, die ökumenische- und biblische Bewegung sowie das Laienapostolat, die die Hoffnungen in sich trugen. Aber die 50er und die 60er Jahren erleben viele asiatische Länder als das Ende des Kolonialismus und den Anfang als neue Zeiten für das einheimische Volk. Neue Wege öffnen sich für unabhängige, nationale  Staaten und Völker. Somit waren die Kirchen aufgefordert, ihre Identität in neuen Kontexten wahrzunehmen  und sich mit den neuen  Herausforderungen konfrontiert zu sehen und sich damit auseinandersetzen zu müssen.

3        Die  asiatischen Kirchen profitieren von der Konzilslehre

Obwohl unter den Konzilsbischöfen  viele europäische Missionare aus Asien am Konzil teilgenommen haben, waren  die neuen und jungen einheimischen Bischöfe aus Asien jedoch die eigentlichen Hoffnungsträger. Obwohl diese jungen asiatischen Bischöfe nicht mitreden konnten, waren aber alle  offene und begeisterte ,,Zuhörer“ bzw. ,,Schüler", vor allem Zuhörer  der europäischen Theologen in den regelmäßig stattfindenden Abendtreffen und Diskussionsrunden. Sie haben alle Dokumente stark unterstützt und ihnen zugestimmt Nach Karl Rahner steht das Konzil nicht für eine dogmatische  Lehre sondern für ein pastorales und ökumenisches  Aggiornamento (Aktualisierung der Kirche vor Ort) , d.h. die früheren europäische Kirchen in Asien  werden Weltkirche und   die jüngeren Missionkirchen in Asien werden asiatische Kirchen!

Diese Tatsache verlangt allerdings einen Paradigmenwechsel,  der aber nicht so einfach gelingt.  Die jüngeren asiatischen Bischöfe stimmen den Dokumenten zu, doch Gegenstimmen und Skepsis den Dokumenten gegenüber kommen insbesondere  von der Kurie und den europäischen Bischöfen. Somit  wurde die  nachkonziliare Praxis der asiatischen Bischöfe gebremst durch die dagegen stimmenden Kardinäle und Bischöfe, die  im Vatikan geblieben sind. Trotzdem haben die Kirchen viel profitiert von der liturgischen Reform, von der neuen Haltung zu nichtchristlichen Religionen, von dem neuen  Verständnis von missionarischen Aufgaben aller Kirchen usw.

4. Wie könnten die asiatischen Kirchen  das Ziel des Konzils vor Ort verwirklichen?

Wie schon oben gesagt, wurden alle asiatischen Kirchen vor dem Konzil nur als ,, europäische" Töchter -" oder ,,Missionskirchen“ gesehen unter dem Gesichtspunkt des Propaganda Fidei, der Glaubenskongregation und geführt durch einen starken römischen Zentralismus, der auch für die finanzielle Unterstützung der Strukturen wie auch für die Gebäude zuständig war.                               

Eine außerordentlich wichtige Änderung gab es, als zwei Jahre nach CELAM in Medellín im Jahr 1970, die von Papst Paul VI. in Manila,FABC (Federationofasianbishops‘ conferences) gegründet wurden. Zu FABC gehören 18 Bischofskonferenzen aus den Gebieten Fernasien, Südasien und Südostasien. Damit einhergehend gibt es nun auch viele neue Strukturen für liturgische, missionarische, interreligiöse, pastorale  Kommunikation usw. Mit Vertretern von den Bischofskonferenzen, stiften die FABC ihren eigenen Ausschuss der asiatische Theologen, um allen Kirchen in Asien zur Hilfe zu stehen. Ich war Mitglied dieses Ausschuss von 1986 bis 1994. Die asiatischen Theologen formulieren, unabhängig von Rom  (tac-fabc), ihre Thesen, zu helfen.                                                                                                         

Eine der 3 Prioritäten:  Dialog des Lebens mit den Armen

Im asiatischen Kontext haben wir drei Prioritäten identifiziert.

a)     Erstens ist es der  Dialog mit den Kulturen auf dem Gebiet der Inkulturation. 

b)    Zweitens ist es der Dialog mit den anderen Religionen, wobei es  um den interreligiösen Dialog geht. 

c)     Drittens ist es der Dialog mit den Armen, damit es von einer Kirche für die Armen zu einer Kirche der Armen kommt.

Alle drei Dialoge haben das einzige Ziel, eine Kirche Jesu Christi im Kontext Asiens, im Ort, des Volkes, der Kulturen und der Religionen zu sein.

5. Asiatische Versuche, um eine Kirche der Armen zu werden

Die asiatische Kirchen vor dem Konzil waren mehrfach bekannt für ihre soziale und humanitäre  Hilfe für  das  Volk. Die Europäischen Kirchen haben als Wohltäter viel Hilfe geleistet. Das war eine vertikale Solidarität, Hilfe und Mitleid  der älteren Kirche fließt in die jüngeren Kirchen.

Aber nach dem Konzil, mit ihrem Bewusstsein „Wir sind die Kirche“ beginnt eine neue Phase der Solidarität,  horizontale Solidarität,  innerhalb im eigenen Land und der Kirche. Diese horizontale Solidarität ist nicht stark genug, um die ganze Not zu beenden.

Während die Hilfe von Europa, von Missio Aachen oder Misereor Aachen,  weitergeht, um den Institutionen für Priesterbildung oder Ordensleute  zu helfen, versuchen wir Christen zu sein unter dem Volk  durch  die Nähe zum Volk. Dabei erkennen wir die verschiedenen Gesichter der Armut. Die Kirchen leisten nicht nur die humanitäre Hilfe für die betroffenen Opfer, sondern zeigen sich solidarisch mit dem Volk im Kampf gegen die Ursachen der Armut. Mit einer prophetische Vision und politischem Engagement suchen die Kirchen und die anderen  nichtchristliche Gruppen Lösungen für die Probleme.                                                                                                                                                                                                                

Im Vergleich zu den Bischöfen und Priestern haben die Ordensleute  mehr Mut, Freiheit und Charisma in ihren eigenen  Zentren, um  die Werte des Evangeliums zu leben.

Bei meinem  Vortrag in der indischen Bischofskonferenz in Tamil Nadu, Indien,  im Februar  2013, habe ich die Bischöfe ermutigt die sozialen und humanitären Probleme des Volkes zu erkennen und dazu die Kirchen einzusetzen. In Indien sind Armut und Unterdrückungen so zahlreich und so tief, dass die Politiker  diese Probleme ausnutzen und die Kirchen halten sich fern von jeglichem Protest oder Engagement.

6. Meine Kommentare zu Kirche in Europa  bzw. in Deutschland?

Ich wage, einige meiner Kommentare hier zu bieten, weil ich als Priester seit 1966  viel erlebt habe  in Asien und in Europa, in besonderer Weise in Deutschland. Ich habe viel gelernt und profitiert von der Weltkirche. Meine langjährigen  Kontakte  und meine langjährige Arbeit in  den Kirchen in Deutschland ermutigen mich,  einige Kommentare zu bieten.

6.1  Obwohl ich noch viele berühmte Deutsche Theologen genieße, die bei dem Konzil mitgewirkt haben ( wie K. Rahner, H. Küng und J. Ratzinger) und die anderen von heute, bin ich  enttäuscht  über die nachkonziliaren Entwicklungen in den Kirchen in Europa.

6.2  Ich bin auch enttäuscht über ihre Antworten zu heute herrschenden Krisen  wie  Glaubenskrise und Kirchenkrise in Europa.

6.3  Die Bischofskonferenzen konfrontieren sich nicht mit den herausfordernden Krisen des Glaubens, oder einer Priester zentrierten Kirche, oder des Priestertums mit Pflichtzölibat usw... . Sie versuchen einen Weg, daran vorbeizugehen ohne Konfrontierung des Problems und  beschäftigen sich hauptsächlich nur mit den Strukturen, nicht mit den Ursachen für die Krisen. Lösungen wie die Fusionen der Gemeinden, um weiter die Gottesdienste zu halten, sind keine dauerhafter Lösungen.

6.4  Ich bin der Meinung dass die Europäische Kirchen, obwohl das Konzil uns berufen hat zu einer Erneuerung durch „Redeuntes ad Fontem“, eine Gegenreformation gestärkte Struktur der Kirche noch behalten wollen. Die Kirchen und ihre Diener, wie Klerus sind komfortabel versichert durch Staat-Kirche Beziehungen. Also fehlt wahrer prophetischer Mut, aus dem Sitz im Leben auszusteigen um ihn zu konfrontieren mit  den Herausforderungen unserer  sterbenden Kirche und weitere Kirchenformen zu entdecken..

6.5 Die Deutsche Kirche ist in der Tat meine Gastgeberin. Leider erfahre ich das die Großmutterkirche in Europa in ihrer gegenreformistischen Form und Struktur langsam stirbt! Es tut mir Leid.

Meine Hoffnung ist, dass sich die neuen  Initiativen von unten, auf der Basis, mit den Fragen auseinandersetzen: Was wollte Jesus als seine Gemeinde? Wie kann die Kirche Christi als das Licht der Welt weiter funktionieren? So können hoffentlich einige alternative Formen der Kirche Jesu Christi aufblühen...