Zeitgeschehen im Fokus Nr. 4 |
27. März 2017 seite 9!10
«Interreligiöse
Zusammenarbeit
zum Wohl der Menschen»
Interview mit Professor S. J. Emmanuel,
katholischer Priester und Präsident des «Global Tamil Forum»
Professor S. J. Emmanuel hat sich sein Leben lang für den Frieden
in Sri Lanka eingesetzt.Vor 20 Jahren musste er aufgrund des gewalttätigen
Bürgerkriegs aus seiner Heimat fliehen und lebt seit dieser Zeit in Deutschland
im Exil. Im Jahr 2014 konnte er dort seinen 80. Geburtstag feiern und letztes
Jahr seine 50jährige Priesterweihe. Seit dem Regierungswechsel in Sri Lanka
herrscht eine andere Stimmung im Land und die neue Regierung hat Professor
Emmanuel eingeladen,nach Sri Lanka zu kommen und beim Versöhnungsprozess
mitzuhelfen. Lange war die Sicherheitslage sehr prekär, so dass eine Reise in
seine Heimat zu gefährlich gewesen wäre. Dieses Jahr hat die Regierung erneut
Professor Emmanuel
eingeladen, nach Sri Lanka zu kommen. Wie er auf die erneute Einladung reagiert
hat, erzählt er uns in folgendem Interview.
Zeitgeschehen im Fokus: Das letzte Mal, als wir uns sprachen, bestand eine Einladung der
Regierung von Sri Lanka, Ihre Heimat zu besuchen. Sie sind damals aufgrund der
schwierigen Sicherheitslage nicht nach Colombo gereist. Wie ist die heutige
Situation?
Professor S. J. Emmanuel: Man hat mich erneut eingeladen, und ich
habe diese Einladung ernst genommen.Eine zentrale Frage ist natürlich meine
Sicherheit. Ich kann nicht irgendwo in Sri Lanka nur in einem Zimmer sitzen. Die Sicherheit muss gewährleistet
sein, damit ich mich in Sri Lanka bewegen kann, nicht nur in Colombo, sondern
auch in meiner Heimat in der Diözese Jaffna.
Sie sind sicher an
ganz vielen Orten bekannt?
Ja, auch an anderen Orten, z. B.in Kandy, Nuwara Eliya, Trico,
Vavuniya oder Mannar. Man kennt
mich dort, und ich muss Freunde und Bekannte besuchen. Auch habe
ich dort zwei Hilfs-Projekte.
Ich muss mit einem Auto dorthin fahren können, begleitet von einer
Person, die für meine Sicherheit
zuständig ist. Ich will nicht von der Regierung beschützt werden,
sondern ich möchte mich als Pater Emmanuel überall hinbewegen können, an alle
Orte, aber immer in Begleitung eines befreundeten Priesters, der singhalesisch
spricht und mir dadurch etwas Schutz gewähren kann.
Was ist Ihre Mission,
wenn Sie nach Sri Lanka gehen?
Ich bin kein Politiker, aber zur Versöhnung unter den Völkern könnte
ich etwas von der religiösen Seite her beitragen. Ich denke in diese Richtung. Ich habe damals 1986
in Jaffna ein Zentrum gegründet, ein Zentrum, das sich für eine bessere
Gesellschaft einsetzt,für eine Zusammenarbeit mit allen religiösen Führern.
Damals habe ich mit vier Vertretern, einem katholischen,einem evangelischen, einem
Hindu und einem Moslem, als Patrons zehn Jahre ein «Center for Better Society»
geleitet.
Was war das Ziel
dieser Organisation?
Das ist eine interreligiöse Kollaboration zum Wohl der Menschen, denn
ich bin überzeugt, dass alle Religionen zum Wohl der Menschen eingerichtet sind. Wenn möglich
möchte ich wieder nach Jaffna gehen und dieses Zentrum wiederbeleben. Ich bin
sicher, meine europäischen Freunde werden mir auch mit finanzieller
Unterstützung helfen. Das Zentrum könnte mit anderen Organisationen im Süden,
die das gleiche Anliegen haben, Kontakt aufnehmen. So könnte man mit der Zivilgesellschaft
zusammenarbeiten. Die katholische Kirche, sie hat sehr gut ausgebildete
Priester und Nonnen, hat Kontakte im Norden und im Süden des Landes und
Verbindungen in die ganze Welt. Aber sie unternehmen wenig oder gar nichts in
Richtung Zusammenarbeit für die Versöhnung.
Woran liegt die
Passivität der Religionen?
Das hängt immer noch mit dem 2009 beendeten Bürgerkrieg zusammen. Früher
sprach die Kirche immer von Terrorismus und Terroristen und hielt sich zurück, aber das
ist jetzt vorbei. Sie müssten das realisieren. Ich habe mit Papst Franziskus
gesprochen, ihm gedankt für seinen Besuch des Marienschreins in Madu, wo er
viele Kriegsopfer gesehen hat, und ihn gebeten, die Kirche in Sri Lanka zur Versöhnungsarbeit
zu ermutigen. Die katholische Kirche ist die einzige, die das tun kann. Ich
habe schon einige Priester und Studenten mit dieser Theologie in Verbindung gebracht,
und mit dem Zentrum im Rücken könnte man etwas tun.
Wo sehen Sie eine
Möglichkeit?
Meine Vorstellung ist, alle Religionen zum Wohle der Menschen zusammenzubringen.
Wir müssen etwas für den Frieden tun. Ich versuche gerade ein universales
Credo zu schreiben. Ich nehme die Wahrheiten aus allen Religionen, damit wir alle zusammen an Gott und
die Menschen glauben, zum Wohl der Menschheit, für die Menschenwürde,die Menschenrechte,die
Gleichwertigkeit. Das Gebet «Vater Unser», das Jesus uns gelehrt hat, ist mehr als ein Gebet,
es ist das Mysterium Gottes, damit wir als Kinder Gottes so leben können.Mein Kommentar zum «Vater Unser»,
den ich jetzt schreibe, soll helfen, meine Leute in Sri Lanka auf eine
interreligiöse Zusammenarbeit zum Wohl der Menschen, der Tamilen und aller in Sri Lanka Lebenden vorzubereiten. Das ist
mein kleiner Beitrag als Priester für den Frieden.
Wie haben die
Regierungsvertreter hier in Genf auf Ihre Pläne und Ihr Projekt reagiert?
Sie waren positiv und haben meine Initiative willkommen geheissen.
Sie wollen den Dialog, das offene Gespräch fördern. Man muss miteinander sprechen, nur das
bringt die Klärung.
In dem Fall ist Ihr
Plan konkret, wieder nach Sri Lanka zu reisen?
Ja, sehr konkret, ich stecke in den Vorbereitungen. Ich bin seit 50
Jahren Priester. 30 Jahre war ich in Sri Lanka und 20 Jahre in Deutschland. Ich habe alles getan, auf
der internationalen Ebene, was mir möglich war. Vor kurzer Zeit habe ich ein
Gebet geschrieben, das ich jeden Abend in der Kirche singe (vgl. Kasten).
Bewegend, wie Sie
Ihr Leben lang dem Glauben, dem Frieden und den Menschen gewidmet haben.
Danke.
Dann steht Ihrer
Reise nichts mehr im Wege?
Nein, natürlich, in meinem Alter kann ich nicht mehr länger
warten. Hoffentlich führt Gott mich weiter. Ich möchte diese Aufgabe übernehmen. Aber Gott ist mein Pilot,
ich bin nur der Co-Pilot. Im Sturm (in Galiläa/Sri Lanka) will Er mir den Weg zeigen.
Professor Emmanuel,
viel Glück bei Ihrer grossen Aufgabe und Gottes Segen. Vielen Dank für das
Gespräch.
Interview Thomas Kaiser
Das Gebet von Professor S. J. Emmanuel
Gott, Du hast mich zum Menschen gemacht;
Du hast mich als Tamile wachsen lassen;
Du hast mich als junger Christ gerufen, um Dir und Deinem Volk zu
dienen.
Ich danke Dir.
Du hast mir als Einzelner viele Talente gegeben;
Ich konnte gut lernen und studieren
Ich war ein guter Schüler und Student.
Ich danke Dir.
Nach der Universität wollte ich einen säkularen Beruf ausüben,
aber Du hast mich gerufen, hierher auf deinen Weg zu kommen,
um Menschen zu dienen in Deinem Namen.
Ich danke Dir!
Gott, ich bin arrogant gewesen mit meinen Begabungen
Du hast mich gelehrt,
den anderen Menschen die Füsse zu waschen.
Ich danke Dir.
Ich komme zu Dir,
ich begebe mich zu Dir,
vergib mir meine Schuld und gib mir das ewige Leben.
Ich danke Dir.